Die Politik hat entschieden: Für Patientinnen und Patienten immer noch freiwillig, für Spitäler Zwang, für Ärztinnen und Ärzte Zwang ab dem nächsten Jahr. Das Elektronische Patientendossier lebt, ist faktisch gesehen aber ein Pflegefall. Mit dem EPD tut sich die Schweiz schwer und kommt nicht vom Fleck. Kompliziert und überdimensioniert sei das heutige Setting, meint Felix Schneuwly sinngemäss. Dass das EPD ein PDF-Friedhof sei, wie dies immer wieder zu hören und lesen ist, bejaht er mit Nachdruck. Es fehle an Struktur. Der Zugang sei zwar sicher, aber sehr aufwendig.
Keine verlässlichen Daten für den Arzt
Als grosses Problem des heutigen Settings sieht Schneuwly die Tatsache, dass der Patient entscheidet, welche Daten in seinem Patientendossier abgelegt werden. Das führt dazu, dass kein Arzt sich darauf verlassen kann, alle relevanten Informationen im EPD vorzufinden. Der behandelnde Arzt muss sich absichern und veranlasst deshalb eine eigene Untersuchung. Die erwünschte Effizienzsteigerung entpuppt sich als Bumerang. Gerade bei Notfällen wäre ein EPD äusserst sinnvoll. Wenn es auf Minuten ankommt, sind verlässliche Informationen über die Blutgruppe, Allergien, Medikamente u.a. absolut zentral und könnten, so Schneuwly mit Nachdruck, Leben retten.
Anstatt alles von Anfang an einzupacken und perfekt machen zu wollen, sollte die Schweiz mit einem einfachen, bedienungsfreundlichen Patientendossier beginnen, z.B. um Notfalldaten zu erfassen
Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte comparis.ch
Heute gibt es keine Anreize für die Nutzung des EPD, weder für Ärzte, Spitäler noch Patienten. Schneuwly sieht Möglichkeiten, finanzielle Anreize bei Patientinnen und Patienten zu schaffen, indem Krankenversicherer einen Prämienrabatt gewähren würden, wenn der Versicherte das EPD nutzt. Schlussendlich helfen auch keine Anreize, wenn das EPD nicht benutzerfreundlich gestaltet ist. Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit sind für Schneuwly Schlüssel zum Gelingen.
Bundesrat Berset hält sich vornehm zurück
Angesprochen auf die Rolle von Gesundheitsminister Alain Berset im Zusammenhang mit dem EPD sagt Experte Schneuwly: «Bundesrat Berset ist ein cleverer Politiker. Erfolge vermeldet er gerne und grosszügig, hingegen hält er sich bei Projekten, bei denen die Trauben etwas höher hängen, wie eben beim EPD, zurück.».